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04/05/2021

#Marie Curie: Folge 4 mit Sonja Theile-Ochel

„Mach dir keine Sorgen darüber, was du tust, wenn es richtig ist.“ - Marie Curie

In der vierten Folge des She did it Podcast widmet sich Simone Lersch gemeinsam mit ihrer Gesprächspartnerin Sonja Theile-Ochel einer der bekanntesten Wissenschaftlerinnen des 19. Jahrhunderts: Marie Curie. Neben den akademischen und wissenschaftlichen Errungenschaften von Marie Curie (und das sind immerhin gleich 2 Nobelpreise), fasziniert Sonja vor allem die Durchsetzungskraft und der unbändige Willen von Marie Curie. Entgegen vieler der damaligen Normen und trotz einiger schwieriger Voraussetzungen, biss sich Marie Curie immer wieder durch und folgte unbändig ihrer Leidenschaft: Der Forschung. Doch noch etwas anderes an Marie Curie hat Sonja in ihrem Leben tief geprägt - die Art der Partnerschaft von Marie und Pierre Curie. Gemeinsam, auf Augenhöhe und zu gleichen Teilen verantwortlich für den Erfolg und die Familie. Werte, die Sonja auch in ihrer eigenen Familie und in den vielen starken Frauen in ihrem Umfeld wiedergefunden hat und die auch sie heute in ihrer Ehe lebt. Im Gespräch mit Simone gelingt Sonja so ein wunderbar ehrlicher, authentischer Blick auf Marie Curie, aus einer ganz neuen Perspektive.

Und hier noch die Shownotes zu den beiden Biografien, die Sonja angesprochen hat:

Link zur Biographie aus der Sicht von Eve Curie

Link zur Biographie von von Fritz Vögtle und Peter Ksoll

Wenn du mehr über EWMD erfahren möchtest, dann schau doch mal hier vorbei: https://www.ewmd.org/ oder besuche uns auf unseren Social Media Kanälen.

Du möchtest auch Teil von "She did it" werden und deine weibliche Inspirationsquelle vorstellen? Dann melde dich unter shedidit@ewmd.org! Wir freuen uns auf dich und deine Geschichte!

Das komplette Interview als Transkript lesen:

Simone Lerch

 Die heutige Folge darf ich mit Sonja Theile-Ochel bestreiten und Sonja sorgt am Ende dafür, dass wir auf Social Media alle gut aussehen. Liebe Sonja, ich freue mich sehr, dass du da bist.

Sonja Theile-Ochel

Ich freue mich auch über die Einladung in deinen Podcast. Und ich muss ja sagen, als ich das erste Mal von dem Podcast gehört hat, habe ich direkt, bin ich in Resonanz gegangen, wie man so schön sagt. Ich habe gedacht, wer hat mich denn beeinflusst? Oder wer ist mein Role Model? Und da bin ich ganz schnell auf die heutige Frau gekommen, über die wir gleich sprechen werden.

Simone Lerch

Genau bevor wir zu der heutigen Frau kommen, die du uns mitgebracht hast. Erzähl uns noch ein bisschen von dir, weil du ja nicht nur für uns die Social Media Auftritt betreust.

Sonja Theile-Ochel

Genau. Also ich bin von Haus aus Agrarwissenschaftler. Also ich habe mal vor Urzeiten Agrarwissenschaften studiert, aber immer mit dem Hintergrund, ich wollte halt Richtung Journalismus PR etwas machen und bin dann aber tatsächlich, weil ich dann auch als junge Frau oder Absolventin gemerkt habe, in der Landwirtschaft der herrschen noch sehr männerlastige Strukturen vor und da hatte ich irgendwann keine Lust mehr, mich immer dagegen aufzuwenden. Deshalb bin ich quasi beim Fernsehen gelandet, lange Zeit als PR Redakteurin und bin zwar 13 oder nicht schon vorher eigentlich vom Social Media Virus befallen worden. Sprich ich fand die Möglichkeit selber zu kommunizieren, also sprich diese Demokratisierung der Kommunikation, die da  über die Digitalisierung, über die Social-Media-Plattform stattgefunden hat, die fand ich total spannend, die hat mich angetriggert und seit 2013 hab ich dann erst nebenberuflich betreut. Kunden beraten zu digitaler Kommunikation, zu PR, Social Media. Hab dann nochmal ein kleines Side Step als Restaurant Gründerin gemacht und inzwischen mache ich wieder nur sozusagen Vollzeit, Social Media und PR. Außerdem bilde ich halt quasi jetzt noch die neue Generation von Social Media Managern aus, durch ein paar Kurse übers Jahr gesehen an der IHK. Da bin ich halt Dozentin und Versuch der Generation, die danach wächst, quasi mein Verständnis von Social Media mit auf den Weg zu geben.

Simone Lerch

Ich finde, dass hört sich nach einem total spannenden Lebensweg an mit so Abstechern hier und da von der Landwirtschaft ins Internet, zwischendurch noch in die zum guten Essen.

Sonja Theile-Ochel

Ja, vom Acker auf dem Teller sozusagen. Das ist ja total modern eigentlich.

Simone Lerch

Von deinem spannenden Lebensweg zu dem spannenden Lebensweg der Frau, die du uns mitgebracht hast. Wen hast du mitgebracht?

Sonja Theile-Ochel

Ich hab Marie Curie mitgebracht, eine von vier Menschen auf dieser Welt, die jemals zwei Nobelpreise bekommen haben oder verliehen bekommen haben. Für ihr Werk,  für ihr wissenschaftliches Werk. Ich habe als junge Schülerin also ich weiß jetzt nicht mehr ganz genau, aber irgendwie so 17/18 muss ich gewesen sein, hab ich zwei Biografien von ihr gelesen. Wahrscheinlich irgendwie über den Chemieunterricht? Keineahnung. Ich könnte jetzt nicht mehr  nachvollziehen, wie ich ausgerechnet auf Marie Curie gekommen bin. Aber tatsächlich hat mich  ihr Lebensweg sehr, sehr begeistert. Aber auch ihre Art zu leben, ihre Art sich durchzusetzen und ihre Art, eine Partnerschaft zu führen. Also das hat mich sozusagen an ein, zwei Stellen wirklich nachhaltig geprägt oder beeindruckt.

Simone Lerch

Die unglaubliche Leistung, als eine der wenigen Personen zwei Nobelpreise erhalten zu haben. Das haben, glaube ich, viele schon einmal gehört im Zusammenhang mit Marie Curie, genauso wie den Namen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner unserer Zuhörerinnen den Namen Marie Curie noch nie gehört hat. Und wahrscheinlich weiß man auch noch, dass es irgendwas mit Radioaktivität zu tun hat. Aber du hast zwei Biografien gelesen. Erzähl uns was von ihr.

Sonja Theile-Ochel

Nun ja, also genau zwei kleine Teile. Also was heißt, du sagst zwei Kleine? Eine Biografie von ihrer Tochter, von Eve Cuire und eine ja wirklich klassische Biografie, wie man sie sich so vorstellt. Also relativ sachlich und neutral, aber tatsächlich die interessantere war, die von ihrer Tochter. Da war halt  auch der Schreibstil  interessant, aber um den geht's ja heute nicht. Und die hat sozusagen den Lebensweg ihrer Mutter wirklich von Anbeginn einmal durchexerziert. Marie Curie ist ja relativ früh gestorben an den Folgen der Radioaktivität, die sie erforscht hat. Aber was mich fasziniert hat, also zum einen sie ist, als sehr junges Mädchen oder als junges Kind war schon klar, dass sie etwas Besonderes ist, dass sie wahrscheinlich heute würde man sagen, hochbegabt ist. Also sie hat sich durchgebissen, obwohl sie aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Also sie stammt aus dem Lehrer Haushalt. Ihr Vater war Leiter oder Lehrer eines Mädchen Gymnasiums, an dem sie dann auch letztendlich aufgrund dieser sozusagen elterlichen Verbindungen einen Abschluss machen konnte, obwohl sie halt aus diesen ärmlichen Verhältnissen stammt. Sie musste aber trotzdem, nachdem sie mit 18,  ne mit 16 hat sie den Abschluss gemacht. Musste sie erst mal als Gouvernante arbeiten gehen, um ja für die Familie Einkommen, also um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und auch ihre Familie zu unterstützen, die anderen Geschwister. Sie hat aber sozusagen so einen, so einen inneren, also so beschreibt es zumindest die Tochter in einem Buch, einen inneren Drang gefühlt zur hin zur Naturwissenschaft und hin zur Forschung. Und das war ihr halt in Polen, wo sie geboren und gelebt hat, verwehrt und konnte dann aber, weil ihre ältere Schwester in Paris verheiratet war, nach Paris gehen und dort an der Sorbonne studieren, was halt ein Riesenglück war für sie, denke ich mal. Weil alleine als alleinstehende Frau ohne irgendeine Verbindung in diese Stadt hätte sie wahrscheinlich nicht gehen dürfen, was man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann dass mir irgendjemand verwehrt, mein Leben an einem Ort zu verbringen, den ich mir selber auswähle. Also das muss man sich immer vor Augen halten. Es war, Frauen zu der damaligen Zeit überhaupt nicht gewährt zu studieren, also in Polen nicht oder einen Abschluss zu machen oder selber einen Beruf zu ergreifen.

Genau. Und dann halt in Paris. Da hat sie sich ja dann halt auch weiter durchgebissen. Also sie hatte wirklich ein Ziel vor Augen. Sie wollte und  sie hat diese Liebe zur Wissenschaft gespürt und hat sich da durchgebissen. Sie hat Französisch gelernt, obwohl sie ja in den ersten Monaten wahrscheinlich in den Vorlesungen gar nicht folgen konnte aufgrund ihrer schlechten Französisch-Kenntnisse. Und es war dann auch klar, dass ihr Abschluss sie gar nicht genügend auf die Uni Karriere vorbereitet hat. Also auch da war sie im Hintertreffen und hat sich dann aber trotzdem durchgebissen. Sie hat in rasanter Zeit mehrere Abschlüsse in Physik und in Mathe gemacht und hat dann aber tatsächlich das war denke ich mal das Glück, obwohl ich es gar nicht so laut sagen möchte. Sie hat dann in Pierre Curie, ihrem späteren Ehemann, einen Partner gefunden, der zum einen Halt  diese Leidenschaft zur Wissenschaft, zum wissenschaftlichen Forschen geteilt hat, aber zum anderen auch, der in ihr eine gleichberechtigte Partnerin gesehen hat und der ihr das dann auch ermöglicht hat, im Labor zu arbeiten, zu forschen und sie dann an vielen Stellen unterstützt hat.

Also das ist sozusagen das eine. Sie hat da wirklich setzt sich reingekniet. Sie hatte ein Ziel, was man sich vor Augen, was ja jetzt auch viele Coaches quasi sagen "Du mussten dein Ziel visualisieren und dann den Weg gehen, den du gehen möchtest". Und das hat sie tatsächlich gemacht und gegen sehr, sehr viel mehr Widerstände als wir, die ich sag mal heute wir in Deutschland die überhaupt haben. Sie hat sich also, man muss sich ja vorstellen, um das Radium zu erforschen, sie hat tatsächlich auf der Suche nach einer Doktorarbeit, nach einer Doktorarbeit Thema ist ihr, glaube ich, eine Arbeit von einem Becquerel in die Hände gefallen, der gesagt hat es gibt Strahlung und sie hat halt gemeinsam mit Pierre, also mit ihrem späteren Mann, hat sie gesagt, diese Strahlung ist etwas Besonderes. Wir müssen das Element, das diese Strahlung hervorruft, müssen wir erforschen, destillieren, weil sie war davon überzeugt, dass mit Hilfe der Strahlung Krankheiten geheilt werden können, dass  das etwas Bahnbrechendes für die Menschheit sein wird.

Und dann hat sie sich für diese, ja für diese Idee, diesen Gedanken, von dem sie nicht losgelassen hat, dass sie sich dann wirklich monatelang in wirklich schlimmen Umständen hingestellt und hat aus Pechblende Radium destilliert, also wirklich raus gekocht. In der  Biographie wird es so beschrieben, dass sie wirklich Stunde um Stunde im Labor gestanden hat, immer wieder Tonnen von Pechblende angeliefert bekommen hat und diese Pechblende dann destilliert hat, um letztendlich 20 Milligramm reines Radium in den Händen zu halten, das dann letztlich auch zu ihrem Tod geführt hat. Aber das war sozusagen diese wissenschaftliche Marie Curie, die mich wirklich inspiriert hat, sich ein Thema zu verbeißen, sich das auch zuzulassen, egal wie die Umstände sind.

Der zweite Punkt, den ich vorhin auch schon angesprochen habe das Verhältnis, das sie zu ihrem Mann hatte, zu dem Pierre Curie, er ist elf Jahre nach der Hochzeit gestorben. Es war eine kurze Beziehung, aber sie war immer von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Was sie geteilt haben, war halt die Liebe zur Naturwissenschaft, zur Physik. Diese Idee, dass sie etwas gesellschaftlich Relevantes erforschen und dass sie gleichberechtigt sind. Also man spürt jetzt in der Biografie spürt man, wie viel Wertschätzung ihr auch entgegengebracht wird. Wie viel, ich sage mal Freiräume für den damaligen, für die damalige Zeit von ihrem Ehemann schon bekommt, dass es ihr halt erlaubt ist, sage ich mal überspitzt gesagt, sich nicht um den Haushalt kümmern zu müssen und die Kinder, sondern stunden, tagelang im Labor zu stehen und sich der Wissenschaft zu kümmern.

Simone Lerch

Vor dem Hintergrund war der Tod von Pierre Curie mit Sicherheit in mehrfacher Hinsicht für sie tragisch. Nicht nur, dass sie da den geliebten und geschätzten Partner und Vater ihrer Kinder verloren hat, sondern auch denjenigen, der ihr den Rücken freigehalten hat. Er dieser ja noch nicht so Frau unfreundlichen Welt, indem mit je weiter tätig zu sein. Wie hat sie diese Schwierigkeit überwunden?

Sonja Theile-Ochel

Was man sagen muss bei beiden war es so, die sind mit Ehrungen überschüttet worden während ihrer Zeit. Es gibt auch Briefe, irgendwie vom Dekan der Universität, der Pierre bittet, irgendwie eine Ehrung anzunehmen,  von einem Regierungsbeauftragten. Und er sagt: "Ich will keine Ehrung, ich will Geld für meine Forschung haben. Ich will Geld für meine Laborausstattung haben. Ich will Geld für einen Assistenten haben, damit wir nicht stundenlang Pech Blende selber destillieren müssen".

Das ist denen dann teilweise verwehrt worden und sie haben sich dann auch dagegen entschieden, als Paar ihre Entdeckungen, ihre Forschung zu vermarkten, also patentieren zu lassen und zu monetarisieren im Grunde genommen, sondern haben gesagt: Nein, unsere Ergebnisse Forschungsergebnisse sind so wichtig, wir wollen die der Menschheit zur Verfügung stellen, frei zur Verfügung stellen, damit alle davon profitieren. Also sprich sie haben sich auch immer für ihre Überzeugung gelebt und haben Einschränkungen, auch finanzielle Einschränkungen dafür hinnehmen müssen. Sie haben unter verhältnismäßig ärmlichen Verhältnissen gelebt. Marie musste weiter noch als Lehrerin arbeiten, weil die Forschungsarbeit nicht ausgereicht hat, um sie zu ernähren. Es war immer klar, dass sie quasi gleichberechtigt für das Familieneinkommen zuständig sind.

Genau und der Tod von ihrem Mann auch da hat sie den, ich sag mal unbequemen Weg gewählt. Sie hätte ja eine Staatspension als Witwe in Anspruch nehmen können und sagen können Okay, dann kümmere ich mich jetzt um die zwei Töchter. Also die Tochter, die eine Tochter war nur zwei Jahre alt, als der Pierre gestorben ist. Sie ist dann auch da den unbequemen Weg gegangen und sprich hat die Professur von Pierre quasi übernommen und ist weiter arbeiten gegangen, hat weiter gelehrt und weiter geforscht. Und ja, hat selber für das Familieneinkommen gesorgt und nicht sich nicht versorgen lassen.

Simone Lerch

Professur übernommen? Ich meine vage in Erinnerung zu haben, dass sie damit tatsächlich die erste Professorin an der Sorbonne gewesen ist für Physik.

Sonja Theile-Ochel

Dann weißt du wahrscheinlich mehr, glaub ich. Das hab ich nicht mehr in Erinnerung. Es kann natürlich, ja ist durchaus im Rahmen des möglichen 1908,  dass sie da die erste Professorin war. Ja, sie hatte einen Partner mit dem, mit dem sie quasi die gleichen Werte gelebt hat oder leben konnte, der für damalige Verhältnisse halt diesen Freiraum auch gegeben hat oder sie hat sich denn auch genommen. Wahrscheinlich wäre gar kein anderer Mensch an ihrer Seite möglich gewesen,  mit dem das möglich war.

Sie ist ihrer Leidenschaft gefolgt und das finde ich und fand ich immer noch sehr inspirierend. Genau. Hinzu kommen natürlich auch nochmal so ein klein bisschen den Bogen zu mir zu ziehen. Also ich hab meine  Familie kommt aus Schlesien, sprich aus Polen also sprich da waren irgendwie so die familiären Verbindungen, glaub ich ein bisschen nah. Ja und in meiner Familie war es auch so, dass eigentlich alle Frauen sozusagen immer arbeiten gegangen sind.

Ich bin nicht anders aufgewachsen als du musst selber für deinen Lebensunterhalt sorgen können und sorgen. Punkt. So bin ich aufgewachsen. Und zwar nicht nur,  weil ich Scheidungskind bin oder meine Mutter halt für mich gesorgt hat, sondern auch meine Tanten drumherum sind alle immer arbeiten gegangen und es war immer klar, man muss selber für seinen Lebensunterhalt sorgen und nicht sich quasi darauf berufen, dass man versorgt wird oder dass das irgendjemand schon für mich macht. Das ist so ein kleiner, sozusagen dieser kleine Schwenk zu mir, wo ich dann die Parallelen zwischen Marie Curie und meiner oder meiner Familie halt gezogen habe.

Simone Lerch

Umgeben und aufgewachsen mit sehr viel starken Frauen.

Sonja Theile-Ochel

Ja, das stimmt auf jeden Fall. Also das ist sicherlich prägend und wahrscheinlich nicht normal. Also wenn ich mich mit anderen Frauen unterhalte, dann habe ich tatsächlich das große Glück gehabt, würde ich jetzt sagen, mit so vielen starken Frauen, auch mit einer starken Mutter aufzuwachsen, die mir viel Kämpferisches mitgegeben hat und die mir einfach, ja diesen Glaubenssatz eingepflanzt hat: "Du musst für dich selber sorgen. Auf Männer kannst du dich nicht verlassen". Also es ist natürlich jetzt so ein bisschen überspitzt. Da spielt natürlich auch viel rein, ja der etwas unschöne Scheidungsverlauf meiner Eltern, dann halt in den Siebzigerjahren das Aufkommen von Alice Schwarzer, der Emma, der Frauenbewegung, also das hab ich halt hautnah mitbekommen. Ich habe tatsächlich eine kleine Anekdote als ich in der Grundschule war, gab's einen neuen Schüler, der hieß Schwarzer mit Nachnamen und ich hab mich gemeldet und hab gesagt: "Ist deine Mama die Alice Schwarzer?" Wusste also kein Mensch, also keiner aus meiner Klasse, ich glaube das war die zweite Klasse, wusste, wer das ist. Aber der Lehrer wusste es natürlich, hat mich mit großen Augen angeguckt und hat mich nachher irgendwie gefragt Woher weißt du denn, wer Alice Schwarzer ist? Da bin ich ein wenig stolz drauf. Also es war mir klar, dass ich, auch wenn ich eine Partnerschaft eingehe, auch heirate, es muss immer gleichberechtigt sein. Es geht gar nicht anders. Und tatsächlich wir haben eine gemeinsame Tochter. Also ich habe eine Tochter, die mittlerweile ausgezogen ist und die sagte dann irgendwie so ein halbes Jahr, nachdem sie dann angefangen hat zu studieren, sagte sie irgendwann: "Mensch, ich wusste gar nicht, wie fortschrittlich ihr seid als Eltern". Und ich sage: "Wie fortschrittlich? Das sagst du mir 2020? Das ist doch normal wie wir unser Eheleben, wie wir unser Familienleben organisieren und führen. Wie wir dich erzogen haben." Meint sie: "Nee, das ist nicht normal". Also in vielen Familien geht's immer noch ganz klassisch zu. Also ein klassisches Rollenverständnis. Arbeitsteilung, Haushalt, Kindererziehung sagte sie: "Das ist nicht normal Mama" und ich so: What? Scheiße! Was die letzten 30 Jahre ist nichts passiert?

Ja, aber umso wichtiger ist es, quasi über Vorbilder zu sprechen. Über Role Models. Wie in deinem Podcast und das finde ich toll, dass man mit vielen Frauen in Berührung nochmal kommt und darüber nachdenkt, wie wir uns geprägt haben.

Simone Lerch

Ich finde es spannend. Auf mich wirkt es so, als hätte dich diese Partnerschaft, die Marie und Pierre Curie hatten dieses Gleichberechtigte noch mehr beeindruckt als ihre wissenschaftliche Leistung. In Bereichen, in denen nie zuvor jemand vorgedrungen ist.

Sonja Theile-Ochel

Also es kann durchaus sein, dass das etwas ist, was mich wirklich, was mich sozusagen auch viel stärker beeindruckt hat als jetzt die wissenschaftliche Leistung, weil es halt  für die damalige Zeit ungewöhnlich war. Und als ich das gelesen habe, also sprich irgendwann Anfang der 90er war es ja auch noch relativ ungewöhnlich oder es war noch weit verbreitet, dass die Menschen in klassischen oder Kinder in klassischen Familien Rollen aufgewachsen sind, wo die Mutter halt zu Hause bleibt, sich um die Kinder kümmert, der Vater arbeiten geht. Und so  ist meine Generation von Frauen aufgewachsen und so wachsen immer noch viele jetzige junge Frauen auf. Ich höre das immer wieder,  da kommen wir dann vielleicht zu diesem Thema Ehegattensplitting, was für mich ein Riesenthema ist oder was für mich quasi die Pest unserer Gesellschaft ist und die verhindert, dass wir wirklich mal eine gleichberechtigte Gesellschaft aufbauen tatsächlich. Und das ist halt nur möglich, wenn beide mitziehen. Also wir Frauen, wir können so viel kämpfen und versuchen, darauf aufmerksam zu machen. Wir brauchen alle Teile der Gesellschaft sprich wir müssen Männer und Frauen mitnehmen, um eine gleichberechtigte Gesellschaft aufzubauen. Und da ist dieses Ehegattensplitting für mich quasi ein Hebel, der immer noch verhindert, dass Frauen aufwachsen und denken: Ja, ich muss für meinen Lebensunterhalt und auch für meine Altersvorsorge selber aufkommen, und nicht denken: Ach ja, das lohnt sich ja gar nicht, arbeiten zu gehen, weil das Ehegattensplitting halt so gepolt ist, dass es eben dieses klassische Rollenverständnis weiter fördert. Und es machen sich viele Frauen einfach nicht bewusst, was das für sie auch im Alter bedeutet. Wenn vielleicht die Ehe, wie ich weiß statistisch, ich glaube du weißt das besser als Rechtsanwältin, wie viele Ehen statistisch in die Brüche gehen, aber dass man sich darüber einfach nicht ausruht also man darf sich einfach nicht sicher sein, dass quasi dieses Konstrukt der Ehe nicht auch im Alter trägt. Punkt. Und nur weil es jetzt gerade so ein bisschen günstiger ist und mir oder uns als Familie mehr Geld auf das Konto spült, sollte man da trotzdem drüber nachdenken.

Simone Lerch

Das ist schwierig. Es ist vor allem ein Thema,  womit man eine ganze Vortragsreihe und mehr als eine Diskussionsrunde drüber abhalten könnte.

Sonja Theile-Ochel

Ja, also ich habe tatsächlich ich hab jetzt neulich mal mit einer jüngeren Frau gesprochen, die gerade Mutter geworden ist oder vor einem Jahr Mutter geworden ist. Sie ist selbstständig, hat ein Online-Business und die hat tatsächlich allen Ernstes gesagt: Ja, eigentlich  ich kann nicht so viel arbeiten, weil ich ein kleines Baby habe und mein Freund, der geht nur drei Monate in Elternzeit, weil er Angst hat, den Anschluss zu verlieren. Aber eigentlich würde ich für die Familie mehr verdienen, wenn ich mehr Zeit hätte. Und dann frage ich mich, was bitteschön in den Köpfen vorgeht, dass ich als Frau quasi die Kindererziehung übernehme, obwohl ich selbst mehr Geld verdienen könnte und mein Mann mir sagt: Na ja, ich kann mich leider nicht ums Kind kümmern, weil vielleicht habe ich dann Karriere technische Einbußen, also noch nicht mal sozusagen die Sicherheit, Karriere technische Einbußen zu haben, sondern nur die Angst davor und dass man das mitträgt. Das finde ich ganz schwierig.

Simone Lerch

Wenn du dir Marie Curie anschaust, was würdest du aus ihrem Leben und Wirken nehmen und  jungen Frauen älteren Frauen entgegenschmettern? Hier seht euch das an. Nehmt es euch zum Vorbild. So geht's eben auch.

Sonja Theile-Ochel

Also von Marie Curie kann man sich mitnehmen, dass sie sich quasi einen Teufel geschert hat um die Meinungen anderer. Das würde ich sagen, nimmt das mit. Folgt eurer Leidenschaft, eurer Überzeugung und lasst euch nicht von gesellschaftlichen, familiären, bedienungstechnischen Zwängen oder Vorgaben abhalten euer Ding durchzuziehen, euren Weg zu gehen. Einfach egal was die Gesellschaft sagt oder was die Gesellschaft mir vorschreibt. Oder andere glauben, dass ich tun oder lassen müsste. Es ist egal, wenn ich meinen Weg gehen möchte und ich bin überzeugt, dass dieser Weg der richtige ist, dann sollte man den auch gehen können und einfach gehen. Punkt.

Simone Lerch

Und sie zeigt, dass man dann durchaus in der Lage ist, Großes zu leisten. Vielleicht wird nicht jeder von uns dann einen Nobelpreis gewinnen, aber das muss man ja auch nicht, um in seinem Leben Großes zu leisten und sich da nicht aufhalten lassen.

Sonja Theile-Ochel

Genau. Also ich finde, man sollte immer sozusagen für sich einmal sozusagen zurückgucken  und denken: Okay, habe ich wirklich all das gemacht, was ich machen wollte? Oder habe ich mich an manchen Stellen abhalten lassen? Und ich finde, das Schwierigste ist dann immer, wenn man denkt, oh, da hab ich mich abhalten lassen von anderen. Da hab ich mich von anderen quasi einengen, einschränken lassen. Also diesen Rückblick finde ich, sollte man versuchen zu vermeiden.

Simone Lerch

Und dafür ist Marie Curie tatsächlich ein sehr, sehr gutes Vorbild.

Sonja Theile-Ochel

Ja, auf jeden Fall. Ich weiß gar nicht. Ich hab gar nicht gegooglet, ob es das noch gibt. Das Buch von Eve Curie, die Biografie ihrer Tochter.

Simone Lerch

Ja, dann können wir es nämlich in die Shownotes aufnehmen, dann können Interessierte es nachlesen. Ich bin mir sicher, dass es die noch irgendwo geben wird. Du hast noch von einer zweiten Biografie gesprochen. Weißt du noch, von wem die war?

Sonja Theile-Ochel

Ja, ich habe sie hier vor mir liegen. Von Peter Ksoll und Fritz Vögtle. Das ist ein kleines  rororo Büchlein. Ich vermute mal, das gibt es nicht mehr.

Simone Lerch

Wir werden uns einfach nochmal schlaumachen, was wir zu Marie Curie noch finden und euch als Literatur Empfehlungen in die Shownotes reinschreiben können. Mir hat sehr viel Spaß gemacht mit dir, Sonja. Ich fand es sehr schön, dass du hier warst und uns Marie Curie noch einmal nähergebracht hast. In all ihren Facetten.

Sonja Theile-Ochel

Ja, vielen Dank für die Einladung. Es hat mir großen Spaß gemacht.

Simone Lerch

Das freut mich sehr. Und wenn ihr, liebe Hörerinnen und Hörer, der Meinung seid, ihr habt auch ein Frauenvorbild, was ihr uns unbedingt vorstellen wollt, dann meldet euch die Adresse steht ebenfalls in den Shownotes. Vielen Dank und ich freue mich aufs nächste Mal.


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